Schwingunsdämpfer, Stossdämpfer

Mit der Verstellung der Dämpfer kann die Balance und die Stabilität in Kurvenmitte auch beeinflusst werden.

Klar, wenn man sich überlegt, dass sich das Fahrzeug in der Midcorner-Phase praktisch nicht mehr bewegt und der Dämpfer gerade keine Arbeit verrichtet, könnte man meinen, dass der Dämpfer in Kurvenmitte keinen Einfluss hat. Doch vor Mitte der Kurve hat er gerade gearbeitet und das Auto stabilisiert und mehr oder weniger Lastwechselreaktionen und Wanken zugelassen. Beim Beschleunigen und Auslenken macht er dies dann erneut. Bei Bodenunebenheiten in Kurvenmitte arbeitet er immer noch und pumpt das Rad entweder nach oben oder nach unten, je nachdem ob die Druckstufe im Verhältnis zur Zugstufe mehr «arbeitet» oder umgekehrt.

 

Das Histogramm oben zeigt die Verteilung der Aus- und Einfeder-Geschwindigkeiten der HA im Low-Speed-Bereich. Die Zug- (im Bild rechts) und Druckstufe (im Bild links) «arbeiten»  hier in etwa gleich - die Zugstufe minim stärker (ist leicht weicher eingestellt).

 

Dämpferhersteller werben bei der Zugstufenverstellung folgendermassen (Quelle KW V2):

"Wechseln Sie beispielsweise die freigegebenen Rad/Reifenkombinationen Ihres Automobilhersteller für beispielsweise größere Felgen, können Sie mit dem KW Gewindefahrwerk Variante 2 „inox-line“ mit der einstellbaren Zugstufe das Fahrverhalten Ihres Autos und Ihre neuen Leichtmetallräder perfekt aufeinander anpassen."
--> damit wird die Zugstufen-«Arbeit», bei Änderung der ungefederten Masse, der Druckstufen-«Arbeit» wieder angepasst. 

 

 

Nachstehend die Erklärung der Einstellungen in den zwei wichtigsten Kurvenabschnitten, in denen die Dämpfer ihre Hauptarbeit verrichten:

- Bremsen

- Bremsen + Einlenken

- Kurvenmitte (Midcorner)

- Auslenken + Beschleunigen

- Beschleunigen

 

 

1. Separate Einstellung der Zug- und Druckstufe

Bremsen + Einlenken
Ausgehend von einer Dämpfer-Einstellung, die etwa «gleich» grosse Zug- wie Druckstufenarbeit leistet oder ausgehend vom Einstellungsvorschlag des Herstellers, kann das Fahrverhalten folgender massen angepasst werden.

 

  • bei auftretendem Untersteuern: 
    VA Druckstufe härter / Zugstufe weicher oder HA Zugstufe härter / Druckstufe weicher.
  • bei auftretendem Übersteuern:
    VA Zugstufe härter / Druckstufe weicher oder HA Druckstufe härter / Zugstufe weicher.

Grundsatz für die Druckstufe:

- Die Achse mit der härteren Druckstufe reagiert zuerst:
- VA-Druckstufe härter geht in Richtung Übersteuern (Auto lenkt schneller ein);

- HA-Druckstufe härter geht in Richtung Untersteuern (Hinterräder möchten weiter Geradeaus

  fahren, oder in die Richtung fahren, die die eingestellte Spur an der HA vorgibt).

- Zu harte Druckstufe verringert den Grip und den Abbrollkomfort.

Grundsatz für die Zugstufe:

- Das Handling der Achse verbessert sich aber mit zunehmender Zugstufe zu Lasten des Grip's:
- VA-Zugstufe härter geht in Richtung Untersteuern;

- HA-Zugstufe härter geht in Richtung Übersteuern.

 

Komfort, Grip und Wanken:

Von Herstellern oder in Foren wird oftmals angegeben, dass man auf der Strasse mit weicherer Zugstufe unterwegs ist und dann auf der Rennstrecke die Zugstufe ein paar Klick zudreht. Das kann wegen dem unterschiedlichen Federverhalten der Strassenpneus gegenüber den Slicks durchaus zutreffend sein. Auf einer glatten Rundstrecke kann dieses Vorgehen auch funktionieren. Das Auto wankt dann wesentlich weniger und ist bedeutend straffer. Durch den «Gripverlust» bei härterer Zugstufe wird der Grenzbereich jedoch «schmaler». Insbesondere bei Slaloms und Bergrennen sollte man wegen den Bodenunebenheiten eher mit weicherer Zugstufe unterwegs sein. 

Zu beachten: Genau genommen, muss man zwischen High- und Lowspeedbereich unterscheiden. Die Dämpfer sind sehr unterschiedlich und darum wird nachfolgend nur auf KW Variante 3 (V3), Clubsport 2-Way und Competition 2-Way eingegangen:

  • Bei der Zugstufe wird bei diesen Dämpfern der Low- und Highspeedbereich jeweils gemeinsam verstellt.
  • Bei der Druckstufe wird nur die Lowspeedstufe verstellt, die Highspeedstufe ist fest eingestellt.

Will man sich also dem Problem Untersteuern beim Einlenken entledigen und an der HA das Dämpfersetup ändern (nehmen wir an die Vorderachse sei bezüglich Druck- und Zugstufe schon optimal eingestellt), muss man gut überlegen, ob man jetzt an der Zug- oder Druckstufe der HA schrauben will. Nach den Angaben oben hat man die Möglichkeit die Zugstufe härter oder die Druckstufe weicher einzustellen.

 

  • Zugstufe härter:
    Der Grip an der HA wird durch diese Massnahme verringert werden, was zum gewünschten Resultat führt. Aber man stellt parallel eben auch die Highspeed-Zugstufe härter! und das wird sich beim nächsten Gullideckel oder bei einer kurzen Bodenwelle mit hoher Geschwindigkeit rächen: Das Auto wird dort den Grip verlieren und versetzen
  • Druckstufe weicher:
    Wäre deshalb die bessere Variante: Mit der verstellbaren Lowspeed-Druckstufe wird nur das Einlenkverhalten beeinflusst. Die Highspeed-Druckstufe bleibt sicher im fest eingestelltem Bereich.

 

Auslenken + Beschleunigen

Hier gelten grundsätzlich die gleichen Grundsätze der Druck- und Zugstufe wie oben erklärt. Beim Beschleunigen (Lastwechsel) ist das Nicken der Karosserie mit der Traktion des Fahrzeugs abzustimmen. Ein Beispiel dazu: Ein Fahrzeug mit Frontmotor und Hinterradantrieb nickt beim Einlenken und in Kurvenmitte vorne, aussen ein (Untersteuert). Beim Auslenken + Beschleunigen kann die Lenkung wegen dem Schieben an der VA nicht geöffnet werden und die HA hat wegen der auftretenden Entlastung keine Traktion. Wie kann da mit der Dämpfereinstellung Abhilfe geschaffen werden? Das Untersteuern/Wanken der VA bringt man schon im Kurveneingang und somit auch in der Kurvenmitte weg, indem man die Druckstufe an der VA härter stellt. Das Auto reagiert durch die härtere Druckstufe beim Ein- und Auslenken schneller auf die Lenkbefehle und stützt sich gegen das Wanken besser ab. Übers Kreuz gedacht (Cross bei Linkskurve von VR nach HL) kann eine härtere Zugstufe HL das Fahrzeug hinten zusätzlich nach unten ziehen – und die gegenüberliegende Druckstufe VR unterstützen – das Übersteuern wird schon beim Einlenken durch die härtere Zugstufe an der HA begünstigt und wirkt sich bis zum Auslenken aus. Allerdings: Bedenken wir nochmals die obenstehende Aussage in Sachen Highspeed-Zugstufe! Darum wäre es eventuell besser, wenn man nur die Druckstufe vorne härter stellen würde.

Manchmal braucht es neben den Grundsätzen noch eine Portion «Hirnschmalz» und ein paar Fahrversuche. Liebe Fahrer (ich wiederhole mich): Dreht an diesen Schräubchen und testen, aufschreiben, testen ...

 

 

2. Einstellung  nur bei der Zugstufe möglich

 

Positiv an dieser Einstellmöglichkeit ist, dass man wenigstens das Verhältnis zwischen Druck- und Zugstufe verstellen kann. Also kann man sich alle Einstellungen grundsätzlich über die Pumparbeit des Dämpfers nach oben bei harter oder nach unten bei weicher Zugstufe überlegen. Das Rad wird gegenüber des Aufbaus nach oben oder nach unten gepumpt.

 

Bremsen + Einlenken
- Zugstufe VA härter = verbessert das Einlenken (verbessertes Handling) aber bei zu

  harter Einstellung = Untersteuern (Vorderachse verliert Grip)

- Zugstufe HA härter = verbessert die Stabilität der HA aber bei zu

  harter Einstellung = Übersteuern (Hinterachse verliert Grip)

 

Handling im normalen Strassenverkehrs-Tempo und bei Autobahnfahrt:

-     Bei «nervöser», zu «knackig» reagierender Vorderachse: Zugstufe VA weicher;

-     Bei träger, «schwammiger» Vorderachse: Zugstufe VA härter

-     Hinterachse dito; bitte beachten, dass bei härterer Einstellung die HA zuerst an Stabilität gewinnt aber bei zu harter Einstellung dann "wegrutscht" --> lange nicht aber dann an der Grenze plötzlich "seifig" rutscht...

 

Auslenken + Beschleunigen

Grundsätzlich wäre der Grip bei einer weicheren Zugstufe an der VA besser, allerdings kann beim Lastwechsel wieder etwas Anderes wichtig werden. Ein Beispiel: Bei einem Fahrzeug mit Vorderradantrieb wird sich die Front beim Beschleunigen stark anheben, was bei einer weich eingestellten Zugstufe an der VA zu einem Hochschnellen des Vorderbaus und somit zum Gripverlust (= Untersteuern) führen kann.

Die gleiche Auswirkung ist beim Lösen der Bremse zu erwarten.

Darum der Grundsatz: Bei Fahrzeugen mit Vorderradantrieb fährt man eher mit harten Zugstufen an VA und HA, bei 4x4 und Hinterradantrieb mit weichen Zugstufen.

Im Strassenverkehr ist die Zugstufe an der Vorderachse in der Regel härter eingestellt als diejenige der Hinterachse.

 

Nicht bei allen Herstellern, welche angeben, dass sich bei ihren Dämpfern nur die Zugstufe verstellen lässt, ist es auch wirklich so. Oft wird gleichzeitig die Druckstufe kontinuierlich oder gestuft mitverstellt [z.B Koni (gelb)]

Bei KW V2 wird wirklich nur die Druckstufe verstellt!

 

  

 

3. Kombinierte Einstellung von Zug- und Druckstufe

 

Eigentlich die ungünstigste Variante. Immerhin kann man den Dämpfer wenigstens verstellen – und da kann trotzdem einiges bewirkt werden. Im Motorsport aber ganz klar die 3. Wahl!

 

Grundsatz (und damit lasse ich es dann schon bewenden):

Bei härterer Zug- und Druckstufe wird die betreffende Achse an Stabilität gewinnen, der Aufbau weniger Wanken.

ABER bei zu harter Zug- und Druckstufe verliert man an der betreffenden Achse wieder den Grip.

 

Bei auftretendem Übersteuern: --> HA härter oder weicher stellen... je nachdem, ob man noch weich oder schon zu hart unterwegs ist (Einstellungsempfehlung des Herstellers beachten, die meist ein guter «Kompromiss» darstellt).

 

Noch etwas zum Vergleich der kombinierten oder separaten Einstellung der Druck- und Zugstufe

  • Separate Einstellung:
    bei auftretendem Untersteuern:
    VA-Druckstufe härter sowie VA-Zugstufe weicher oder HA-Druckstufe weicher oder HA-Zugstufe härter
  • Kombinierte Einstellung:
    Wie oben bei der sep. Einstellung zu sehen ist: VA härter oder weicher, HA weicher oder härter
    -->
     es ist alles gegenläufig! Wie soll man das mit einer kombinierten Einstellung in den Griff bekommen? 

Die Erfahrung hat gezeigt, dass man bei einem qualitativ guten Dämpfer mit der kombinierten Einstellung trotzdem ganz gut zurecht kommt (Bilstein B16, Öhlins Road & Track). Man muss einfach immer gut überlegen, an welchem Dämpfer man jetzt in welche Richtung drehen muss...  Das probate Mittel: testen, testen, testen...

Aber wie schon gesagt: im Motorsport ist die kombinierte Einstellung nur bedingt zu empfehlen!

 

Unter diese Kategorie fallen leider auch die meisten elektronisch verstellbaren Systeme: Bilstein Ride Control (RC, iRC), Bilstein DampTronic, KW DDC usw.

 


Artikel aus dem Heft auto-wissen.ch von Andreas Schranz

CDC-Dämpfer (VW DCC, BMW EDC, Opel IDS, KW DDC)

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