3. Rollzentrum, Anti-Features

Definition des Rollzentrums: Der theoretische Punkt, um den sich der Fahrzeugaufbau gegenüber der Rad-Aufhängung beim Wanken dreht (Bildquelle: http://www.rcscrapyard.net/ch/):

 

Der Hebelarm zwischen dem Schwerpunkt (Center of Gravity) und dem Rollzentrum bestimmt die Neigung des Aufbaus bei Kurvenfahrt. Im Bild oben würde die Karosserie bei Kurvenfahrt wegen des tiefliegenden Rollzentrums relativ stark wanken.

Würde das Rollzentrum erhöht werden, könnte sich die Karosserie weniger neigen - weil der Hebelarm kürzer geworden ist.

Ein höheres Rollzentrum wirkt sich in Kurvenmitte zudem wie ein härterer Stabilisator aus. Damit kann mit dem Rollzentrum neben dem Wanken auch die Balance verstellt werden.

Wie kann das Rollzentrum erhöht werden?

- durch Erhöhen des unteren, inneren Drehpunkts oder

- durch das Herabsetzen des oberen inneren Drehpunkts (à die äusseren Drehpunkte gerade umgekehrt).

 

Einige PW Hersteller verstellen beispielsweise den Sturz an der HA mit einem Exzenter. Je nach Konstruktion kann man diesen Exzenter so verdrehen, dass sich das Rollzentrum verändert:

Der untere, innere Exzenter lässt sich bei diesem Querlenker verdrehen (eigentlich die Sturzeinstellung):

- Schraube des Exzenters oben: Drehpunkt tiefer = Rollzentrum tiefer

- Schraube des Exzenters unten: Drehpunkt höher = Rollzentrum höher

 

Im Bild oben wurde die Exzenterschraube nach oben gedreht = tieferes Rollzentrum.

Ein tieferes Rollzentrum bewirkt an der HA (wie ein weicherer Stablisator) eine Balanceverschiebung in Richtung Untersteuern. Die Auswirkungen auf die Balance sind jedoch bedeutend geringer als diejenigen des Stabilisators und der Federn.

Doch wäre dies bei diesem Frontantriebsfahrzeug in der Kurvenmitte die falsche Einstellung?

Die Veränderung des Rollzentrums bewirkt auch (und das sind die grösseren Auswirkungen als diejenigen des «Stabi-Effekts») eine andere Sturzänderung beim Einfedern und macht die betreffende Achse langsamer in ihrer Reaktion z.B. beim Einlenken – was beim Fahrzeug oben zu einem besseren Einlenkverhalten führt. Der Grund dafür ist der Umstand, dass die Hinterachse bei langsamer Reaktion beim Einlenken der schnelleren VA das Kommando überlässt = Übersteuern am Kurveneingang. 

 

Mit den Dämpfern zusammen beeinflusst das Rollzentrum also vor allem das Ein- und Auslenkverhalten (Übergangsverhalten)!

Front Roll centre/bump steer - correction kit (Whiteline)

"Längeres" Kugel-Traggelenk (siehe Bild) senkt den unteren Drehpunkt bei Autos mit tief liegendem Rollzentrum:

  • erhöht das Rollzentrum an der VA nach der Tieferlegung wieder
  • bessere Abstützung an der VA (wie härterer Stabi). Wanken der VA nimmt ab. Grip an der HA steigt aber an (hinten bessere Verteilung der Radaufstandskraft), Grip an der Vorderachse sinkt in Kurvenmitte!
  • Elastischer Anteil des Wankens (Feder) nimmt ab. Kinematischer Anteil (Rollzentrum) nimmt zu
  • dadurch besseres und schnelleres Ansprechen der Lenkung an der VA
  • Die Untersteuer-Tendenz wird nur bedingt abnehmen, die VA wird in ihrer Reaktion schneller und wankt weniger (was die Untersteuerneigung im Kurveneingang und im Kurvenausgang minimiert - aber nicht in Kurvenmitte).

Passendes Spurstangen-Endstück (siehe Bild) zum tieferen unteren Traggelenk. Ohne dieses Endstück würde das Rad beim Einfedern mit dem geänderten Traggelenk auf zuviel Vor- oder Nachspur drücken (je nach Ort des Spurstangenhebels):

  • korrigiert das Pumpsteering wieder auf "neutral"

Anti-Lift-Kit / Caster-Kit (Whiteline)

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Anti-... (hier nur kurz vereinfacht beschrieben)

 

Anti-Dive: Stellung der vorderen unteren Querlenker-Drehpunkte vorne gegen unten geneigt, so dass die Karosserie beim Bremsen vorne weniger eintaucht. Stellung der hinteren unteren Querlenker-Drehpunkte vorne gegen oben geneigt, so dass die Karosserie beim Bremsen hinten weniger eintaucht.

Anti-Squat: Stellung dito. verringert das Einnicken beim Beschleunigen.

Der Unterschied zwischen dem Bremsen (Dive) und dem Antreiben (Squat) liegt beim Angreifen der Kräfte. 

Antriebskraft = innere Kraft der Antriebswelle: greift im Radmittelpunkt in Fahrtrichtung an.

Bremskraft = äussere Kraft: greift im Radaufstandspunkt gegen die Fahrtrichtung an. Der Schwerpunkt wird eine Gegenkraft (Trägheitskraft) bewirken; beim Bremsen nach vorne und beim Beschleunigen nach hinten. Weitere Herleitungen und Kräfteverteilungen würden hier zu weit führen.

 

"Anti-Lift-Kit": Unterere Querlenker der angetriebenen Vorderachse hinten gegen unten geneigt. 

  • Anti-Dive wird reduziert - Karosserie wird beim Bremsen mehr eintauchen
  • Anti-Lift (Squat) wird reduziert und zum Pro-Lift, Karosserie wird beim Beschleunigen an der VA mehr angehoben

Das Wort Anti-Lift suggeriert also eine falsche Vorstellung. Die Karosserie macht nicht weniger "Lift" sondern mehr "Lift". Die Feder an der VA arbeitet dadurch effektiver, der Grip steigt bei unebener Fahrbahn beim Beschleunigen und Bremsen an. Das Untersteuern wird reduziert.

 

Durch das "Caster-Kit" wird der Nachlauf vergrössert: Durch das Herausstellen des hinteren Querlenker-Drehpunkts geht das Traggelenk ebenfalls nach vorne. 

- Grip in der Kurvenmitte steigt

- Einlenken wird etwas träger